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Was bedeutet selbstreguliertes Lernen?

Yves Karlen, Carmen Hirt, Sophie Zimmermann (2020)

Pädagogische Hochschule FHNW

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«Selbstreguliertes Lernen bedeutet nicht,

dass die Schüler:innen mit ihren Lernaufgaben alleine gelassen werden,

sondern, dass sie im Prozess der zunehmenden Selbstregulation

gezielt begleitet und unterstützt sind.»

 

Selbstreguliertes Lernen (SRL) – in der Schule oftmals auch «selbstorganisiertes Lernen» (SOL) genannt – bedeutet, dass die Schüler:innen verschiedene Strategien einsetzen, um ihr Verhalten, ihre Informationsverarbeitung, ihre Motivation, ihre Emotionen und ihre Lernprozesse zielgerichtet zu überwachen und zu steuern.

 

Zum einen wird das SRL durch die Merkmale der Schüler:innen beeinflusst, weil sie unterschiedliche Voraussetzungen mitbringen, dazu gehören beispielsweise das Vorwissen, die Intelligenz oder die Motivation. Zum anderen wird das SRL in der Schule von unterschiedlichen Rahmenbedingungen während des Lernens beeinflusst, wie beispielsweise von der Lernaufgabe, den zur Verfügung stehenden Hilfsmitteln oder der spezifischen Gestaltung der Lernumgebung (u.a. Sozialform). Während einige Lernformen und Lernaufgaben ein hohes Mass an SRL von den Schüler:innen verlangen (z. B. Projektaufgaben, offener Unterricht etc.), fördern andere kaum SRL (z. B. einfache Routineaufgabe, lehrpersonenzentrierter Unterricht).

 

SRL wird insbesondere bei offenen Lernformen und Lernaufgaben gefordert und gefördert, wenn z. B. unterschiedliche Inhalte auf differenzierte Art und Weise gelernt werden dürfen oder bei Hausaufgaben, Referatsvorbereitungen oder projektartigen Arbeiten viele Freiräume gelassen werden. Je weniger Unterstützung und Strukturen vorhanden sind, desto eher sind die Schülerinnen und Schüler auf gut ausgebildete Kompetenzen im SRL angewiesen. Um Schüler:innen in Lernumgebungen mit hohem SRL-Anspruch nicht zu überfordern, kommen der gezielten und adaptiven Lernunterstützung durch die Lehrperson sowie dem Repertoire an Lernstrategien der Schüler:innen wichtige Rollen zu. Folglich ist eine direkte Förderung von Lernstrategien unerlässlich und umso wichtiger, je weniger Erfahrungen und Kompetenzen die Schüler:innen diesbezüglich mitbringen. Mit zunehmenden Kompetenzen und Erfahrungen im SRL werden die Schüler:innen mehr und mehr in der Lage sein, ihr Lernen selbst erfolgreich fördern zu können.

 

Selbstreguliertes Lernen als Prozess

SRL kann als Prozess beschrieben werden, der sich in drei Lernphasen gliedern lässt: (1) vor dem Lernen, (2) während des Lernens und (3) nach dem Lernen. Es wird davon ausgegangen, dass die Lernphasen aneinander anschliessen und die vorangehende Phase die jeweils nachfolgende beeinflusst. Dieser Prozess macht deutlich, dass gemachte Lernerfahrungen einer ersten Lerneinheit die Vorgehensweise bei der nächsten Lerneinheit beeinflussen (z. B. Das Ziel einer Lernenden war, jeden Tag 20 Vokabeln zu lernen. Am ersten Tag konnte sie sich aber nur 5 Vokabeln einprägen. Somit wird sie für die nächste Lerneinheit ihr Ziel und vielleicht auch ihre Vorgehensweise anpassen).

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Abbildung 1 Prozessmodell

Die Aufgabenstellung, die aktuelle Lernsituation sowie die eigenen Voraussetzungen stellen die Ausgangsbedingungen dar. Nun wird in der Phase vor dem Lernen das eigentliche Lernen auf der Basis dieser Ausgangsbedingungen vorbereitet und geplant. Auf der Grundlage der eigenen Motivation und Überzeugung (z. B. Interessiert mich diese Aufgabe? Habe ich Lust, diese zu bearbeiten? Kann ich diese Aufgabe überhaupt selbstständig lösen?) werden Ziele (teils auch unbewusst) gesetzt und entsprechende Lernstrategien für die Bearbeitung der Aufgabe ausgewählt.

 

In der anschliessenden Phase während des Lernens werden die geplanten Lernhandlungen umgesetzt. Die ausgewählten Strategien werden eingesetzt und das Handeln wird idealerweise überwacht und kontrolliert (z. B. Bin ich noch auf dem richtigen Weg? Habe ich tatsächlich alles verstanden?). In dieser Phase nehmen die Aufrechterhaltung und Optimierung der Handlungsausführung (z. B. Anstrengungs- und Konzentrationsregulation, Motivations- und Emotionsregulation) eine wichtige Rolle ein, damit das Lernen nicht unterbrochen wird.

 

Die Phase nach dem Lernen dient zum einen der Einschätzung der erzielten Ergebnisse und zum anderen dem Ableiten von Schlussfolgerungen für zukünftiges Handeln. Im Zentrum steht dabei die Bewertung der erzielten Leistung und der Abgleich mit den gesetzten Zielen aus der Phase vor dem Lernen (z. B. Habe ich meine Ziele erreicht? Bin ich mit dem Ergebnis zufrieden?). Zudem nimmt die Reflexion über Ergebnisursachen und den gesamten Handlungsverlauf einen hohen Stellenwert ein (z. B. Weshalb habe ich das Ziel erreicht/nicht erreicht? Woran lag es?). Sie bildet die Basis für Schlussfolgerungen und Vorsätze für die nächste Lerneinheit resp. der nächsten Phase vor dem Lernen.

 

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Schritt für Schritt von der Fremd- zur Selbstregulation

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Abbildung 2 adaptiert aus Karlen et al., 2022, S. 19

SRL bedeutet nicht, dass die Schüler:innen mit ihren Lernaufgaben alleine gelassen werden, sondern, dass sie im Prozess der zunehmenden Selbstregulation gezielt begleitet und unterstützt sind. Die Entwicklung von der Fremd- zur Selbstregulation geschieht durch das schrittweise Übernehmen der Verantwortung für das eigene Lernen und die Kontrolle dessen. Damit werden die Schüler:innen zunehmend zu ihren eigenen Lern-Coaches, eine Rolle, die zuvor die Lehrpersonen inne hatte. SRL-orientiertes Lehren beinhaltet somit die schrittweise Verlagerung der Fremdsteuerung des Lernprozesses durch die Lehrperson zur Selbstregulation des Lernens durch die Schüler:innen.

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Quellen

  • Schiefele, U., & Pekrun, R. (1996). Psychologische Modelle des fremdgesteuerten und selbstgesteuerten Lernens. In F. E. Weinert (Hrsg.), Psychologie des Lernens und der Instruktion. Enzyklopädie der Psychologie (Vol. 2, pp. 249-278). Göttingen: Hogrefe.

  • van Beek, J. A., de Jong, F. P. C. M., Minnaert, A. E. M. G., & Wubbels, T. (2014). Teacher practice in secondary vocational education: Between teacher-regulated activities of student learning and student self-regulation. Teaching and Teacher Education, 40, 1-9.

  • Zimmerman, B. J. (2000). Attaining Self-Regulation. A Social Cognitive Perspective. In M. Boekaerts, P. R. Pintrich, & M. Zeidner (Eds.), Handbook of Self-Regulation (pp. 13-39). San Diego, CA: Academic Press.

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